Hören wir den Namen  Provence, sehen wir schier endlose Lavendelfelder vor unserem geistigen Auge. Und dann dieser Geruch. Keine Region Frankreichs duftet wohl derart intensiv wie die Provence. Ebenso bekannt sind die Kräuter der Provence: Thymian, Bohnenkraut, Oregano, Majoran etc. – die Liste ist schier endlos.

„Soweit der Mistral reicht, soweit reicht auch die Provence“ lautet ein Sprichwort. Mistral, das ist ein kalter, trockener Nordwind. Er sorgt für das (fast) ewige Blau des Himmels, denn der Mistral fegt jede Wolke vom Firmament. Vincent van Gogh kam 1888 wegen des Lichts in die Provence und malte Sonnenblumen, Sonnenuntergänge, Cafés im Abendlicht – das sind Porträts einer Landschaft, die bis heute ihre Gültigkeit haben. 

Die Provence erstreckt sich über sehr unterschiedliche Landschaften. Beginnend mit hohen Gipfeln im Nordosten flacht sie im Südwesten bis auf Meereshöhe ab. Und durch viele Quellen, Bäche und Flüsse gedeiht alles prächtig – Weinreben, Melonen, Kirschen, Oliven und Lavendel – um nur einiges zu nennen. Dazwischen wunderschöne Städte und Dörfer mit eindrucksvollen Kathedralen und interessanten Sehenswürdigkeiten.

Grignan

Der erste Ort an dem wir haltmachen, ist Grignan. Eine kleine französische Gemeinde mit niedlichen Häusern in hübschen, verschachtelten Gassen. Herrschaftlich throhnt über der kleinen Stadt das prächtigste Renaissance-Schloss im Südosten Frankreichs. Die Chronistin des Versailler Hofes, Madame de Sévigné, schickte vor 300 Jahren Hunderte von Briefen an ihre hier in der Provinz verheiratete Tochter. Auch dies trug sehr zur Berühmtheit des Schlosses bei. 

Im Innenhof ist gerade eine Bühne für eine Theateraufführung aufgebaut worden. Und von den Terrassen aus haben wir einen atemberaubenden Blick über das Rhône-Tal und in der Ferne auf den 1912 m hohen Mont Ventoux. 

Orange

Wir staunen nicht schlecht, als wir auf unserem weiteren Weg nach Orange kommen. Vor den Toren der Stadt taucht ein riesiger Triumphbogen auf. Auf dem Fries des dreitorigen Bauwerks sieht man z.B. Legionäre beim Kampf. Er wurde als Ehrenbogen wohl 20 n. Chr. erbaut und als Stadteingang in das antike Arausio (das heutige Orange) vorgelagert. Der ca. 19 m hohe Turm gilt als das am vollständigsten erhaltene römische Bogentor und steht seit 1981 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbe. 

Römisch und UNESCO-Weltkulturerbe ist auch das Theater aus dem 1. Jahrhundert, mit seiner 103 m langen und 37 m hohen Fassadenfront eines der größten und besterhaltenen Amphitheater der Antike. Nach jahrhundertelangem Verfall wurde das an einem Hügel liegende Theater im 19. Jahrhundert restauriert. Heute wird es wieder für Festspielaufführungen genutzt, darunter das Opernfestival „Chorégies d’Orange“. Dieses findet im Juli/August jeden Jahres statt. 

Aus diesem Grund können das Theater nicht von innen besichtigen, weil dort gerade eine Opernaufführung stattfindet. Auf dem Hügel hinter dem Theater befindet sich der Park „Colline Saint-Eutrope“. Von dort oben, so hoffen wir, können wir einen Blick auf die Theaterbühne erhaschen. Wir machen eine gemütliche Abendwanderung durch einen schön angelegten Park und die Aussicht auf die Stadt und das Theater ist grandios. Die Bühne sehen wir von hier aus nicht, aber wir hören eine kleine Weile der Musik zu.

Die Stadt Orange strahlt mediterranen Charme in bunt aus und die Église Notre-Dame de Nazareth aus dem 12. Jahrhundert ist ebenfalls sehenswert.

Avignon

Was für eine Stadt – weltberühmt geworden durch ein Volkslied. Doch getanzt wurde auf der Pont Saint-Bénézet nie und heute stehen von den 22 Bögen der legendären Brücke über die Rhône nur noch vier und eine Kapelle. Durch Kriege und Hochwasser wurde die mit 900 m seinerzeit längste Brücke immer wieder zerstört. Hinter einer 4,5 km langen Stadtmauer liegen die Altstadt von Avignon und einer der bedeutendsten gotischen Papstpaläste. In der Zeit zwischen 1309 und 1376 residierten hier sieben Päpste. Sie fanden in der südfranzösischen Stadt Schutz vor den politischen Wirren in Rom. 

Das Herz des historischen Avignons ist der „Place du Palais“, 150 m breit und 500 m lang und gesäumt von prachtvollen Bauwerken sowie der monumentalen Eingangsfassade des Papstpalastes. Heute zählt er zum UNESCO-Erbe, in früheren Zeiten diente er als Parkplatz. Alljährlich im Juli findet das Festival d’Avignon im Ehrenhof des Papstpalastes statt. Als quirliger, unangepasster Gegenpol verwandeln sich einige Straßen Avignons in eine alternative Theatermeile. Zahlreiche, experimentierfreudige Ensembles spielen, tanzen oder singen bei diesem Off-Festival. Die Künstler freuen sich über zahlreiches Publikum und die Menschen schauen begeistert zu. Wir verbringen einen schönen und interessanten Tag in dieser pulsierenden Stadt, freuen uns dann aber auch auf die Ruhe am Ufer der Rhône.

Murs

Etwa 40 km entfernt von Avignon entfernt, im regionalen Naturpark Luberon, machen wir eine kurze Pause. Vor uns liegt auf einem Hügel das kleine Dorf Murs. Unser Blick fällt auf eine hohe Mauer. Dort steht ein älterer Mann vor einer Staffelei und zeichnet das vor ihm liegende Dorf auf dem Hügel. Er strahlt eine unglaubliche Ruhe aus und läßt sich durch nichts von seiner Tätigkeit ablenken.

Notre-Dame de Sénanque

Abseits der Hauptverkehrsstrassen liegt in einem malerischen Tal inmitten wogender Lavendelfelder die Abtei Sénanque. Die Zisterziensermönche gründeten diesen Ort der Stille im Jahr 1148. Es war lange ein verlassener Ort, doch seit einigen Jahre leben wieder Mönche in der Abtei.

Roussillon

Roussillon ist wohl das bunteste Dorf der Provence. Schon die Römer nannten die Siedlung Vicus Russulus, „rotes Dorf“. Der Grund dafür liegt in der Erde, die hier eine ganz besondere Farbe hat. Es ist eine Mischung aus Rostbraun, Weinrot und Ocker. Schon seit der Antike werden die Farbpigmente rund um Roussillon abgebaut und zu Farben veredelt. Fast alle Häuser der Stadt sind in dem typischen Rotton bzw. Ocker verputzt.

Den einstigen Ockerbruch besichtigen wir über einen Wanderweg und sind fasziniert von der unermesslichen Farbenvielfalt. Es ist die Zusammensetzung bestimmter chemischer Stoffe im Boden, die diese wunderschöne Färbung hervorruft. Unter den Besuchern des Ockerbruchs ist auch eine sehr lustige Gruppe aus Italien, denen wir mehrmals begegnen. Schon ziemlich am Anfang wird Andreas gefragt, ob er ein Foto von allen zusammen machen kann. Das hat wohl sehr gut geklappt, denn im Verlauf der Wanderung wiederholt sich das Prozedere.

Wir genießen den Spaziergang durch das charmante kleine Dorf mit den warmen, so unterschiedlichen Farbnuancen der Häuser und treffen nochmals die Italiener, die uns mit lautem „Ciao“ begrüßen.

Valensole

Unendliche Weiten, riesige Lavendelfelder und verstreut liegende Höfe kennzeichnen die Hochebene von Valensole. Im Juli und August blüht der Lavendel und hüllt die Landschaft in einen betörenden Duft. Der Lavendel ist es auch, der diese Hochebene so attraktiv macht. Nicht nur für die Besucher, sondern auch für die umliegenden Industrien. Geradezu schier unendlich ist der Einsatz von Lavendel bei Körperpflege und Kosmetik, für Parfüm und Öl, bei Potpourris, Trockensträuchen etc. – und selbst in der Küche hat er Einzug gehalten.

Wir genießen den Anblick und den Duft inmitten dieser lilablauen Pracht. Es sind erstaunlich viele Menschen in den Feldern unterwegs, die sich -oft ganz in weiß gekleidet- fotografieren lassen, Selfies machen oder sogar mit Drohnen am Start sind. 

Es ist eine kleine Geduldsprobe, bis wir ein paar Fotos von den langen Lavendelreihen, mit möglichst wenig Menschen, machen können.

Neben den riesigen Lavendelfeldern finden wir oft in unmittelbarer Nachbarschaft Felder mit Sonnenblumen, soweit das Auge reicht. Welch ein schöner Kontrast!

Lac de Sainte Croix

Unterwegs zum George de Verdon Canyon durchfahren wir den landschaftlich wunderschönen und abwechslungsreichen Naturpark Verdon und bleiben dann an Frankreichs zweitgrößtem Stausee, dem Lac de Sainte-Croix. Der meist spiegelglatte See ist 22 km2 groß und endet in der tiefsten Schlucht Europas. Es liegen mehrere kleine Dörfer rund um See, der 1973 aufgestaut wurde und bis zu 90 m tief ist. Wir suchen uns eine schöne Bucht bei St.-Croix-sur-Verdon und verbringen einen tollen Tag mit baden in türkisfarbenem Wasser, lesen und spielen.

George de Verdon

Auch Europa hat seinen Grand Canyon. Die Verdonschlucht, französisch Gorges du Verdon, liegt in der französischen Provence und beginnt flussabwärts nach der Stadt Castellane und endet nahe Moustiers-Sainte-Marie im Stausee Lac de Sainte-Croix. Die Ausmaße sind bescheidener als bei dem amerikanischen Bruder: die Verdon-Schlucht ist 21 km lang, bis zu 700 m tief und an der schmalsten Stelle stehen die Felswände gerade einmal  6 m voneinander entfernt. Das größte Naturwunder Frankreichs hat eine sehr abenteuerliche und aberwitzige Architektur und bietet Besuchern eine Vielzahl von Aktivitäten. Teile der Schlucht können mit Wildwasser-Kajaks und Kanus befahren werden, die unberührte Natur lädt zu Wanderungen und Klettertouren ein. Für einen zusätzlichen Adrenalinschub sorgen Aktivitäten wie Bungee-Jumping, Paragliding oder Drachenfliegen.

Die Serpentinen im Gebiet der Schlucht sind auch für Motorradfahrer ein beliebtes Ausflugsziel. Zwei Panoramastraßen erschließen die Schlucht und wir fahren auf einer Seite des Canyon zu einigen Aussichtspunkten und riskieren einen Blick in die Tiefe. Es ist schon beeindruckend wie klein die Boote unten im türkisfarbenen Wasser aus dieser Höhe wirken.

Moustiers-Sainte-Marie

Auf dem Rückweg taucht dann das kleine Städtchen Moustiers-Sainte-Marie vor uns auf. Wie mit den Felsen verschmolzen liegen die Häuschen beeindruckend vor einer Felswand, die hinter dem Ort in die Höhe ragt. In der Mitte erhebt sich der Turm der Wallfahrtskirche Notre-Dame-de-Beauvoir.